33 Tage / 4250 km insgesamt / 3294 km selbst gefahren

9 Stationen / 5 Hikes / The Big 5

So kann man den letzten Monat in Zahlen darstellen. Das reicht aber nicht aus um den gleichzeitig ersten Monat auf dieser Reise auch nur ansatzweise zu beschreiben.

Als TouristIn kratzt man ja immer nur an der Oberfläche des besuchten Landes. Das Kratzen an der Oberfläche Südafrikas hat es allerdings in sich und macht es für mich persönlich nur möglich eine Zwischenbilanz zu ziehen. Um es vorweg zu nehmen: Eine Zwischenbilanz die danach schreit wieder überprüft und weiter vervollständigt zu werden.

Meine Route hat mich tausende von Kilometern durch dieses geschichtlich, politisch und geographisch spannende Land geführt. Es war die richtige Entscheidung sich mit dem Auto auf den Weg zu machen und sich alles in gewissem Sinne selbst zu erschließen, ohne Teilstrecken mit dem Flugzeug zu überbrücken. Von Kapstadt, über die Garden Route, einen Teil der Wild Coast, den Midlands und den Anfängen der Drakensberge, Johannesburg und dem Kruger Nationalpark war es wirklich eine Berg- und Talfahrt. Was die Straßenverhältnisse und Höhenmeter angeht, aber auch emotional.

Unterwegs mit dem Mietwagen

Mehr als 20 Jahre nach dem Ende der Apartheid, den ersten freien Wahlen und den seitdem andauernden Wahlerfolgen des ANC (AfricanNationalCongress – der früheren Widerstandsbewegung) wird das Land heute von einem korrupten Präsidenten, seinen Gefolgsleuten und den bisher nicht überwundenen Gräben zwischen Arm und Reich geprägt. Nelson Mandela und seine Idee einer Regenbogennation sind wirklich allgegenwärtig in den Köpfen und Hoffnungen der Menschen. So viele mit denen ich hier gesprochen habe und die ich zur aktuellen Situation befragt habe (ob schwarz, farbig oder weiß), beziehen sich darauf. Sie sagen aber auch, dass sie meilenweit davon entfernt sind und befürchten das es nie dazu kommen wird, wenn sich nichts an der aktuellen Situation ändert. Südafrika ist nämlich trotz der Verbesserungen immer noch ein schwarzweißes Schachbrett der Ungerechtigkeit.

Slavery Museum – Cape Town

Nach dem Gesetz dürfen keine Schwarzen, Farbigen oder InderInnen mehr benachteiligt werden. Wenn man Einkünfte unterhalb eines gewissen Betrages oder keine hat, wird man vom Staat unterstützt und Häuser mit Stromanschluss werden durch die Regierung zur Verfügung gestellt. Aber immer noch mehr als die Hälfte aller SüdafrikanerInnen, die dem Hauptanteil nach zu den vormals von der Apartheid betroffenen Gruppen gehören sind bettelarm, träumen nur von Warmwasser in ihren Wellblechbarracken und müssen mit den vielen ArbeitsmigrantInnen aus den anderen afrikanischen Ländern um die von ihnen erreichbaren (vorwiegend schlechten und somit schlechtbezahlten) Jobs kämpfen. Drogen bestimmen oft das Leben in den stark anwachsenden Townships, die Kinder werden schon Eltern und HIV gehört aufgrund der miserablen Aufklärung zum Alltag. Die Schulbildung ist dort zwar kostenlos, aber schlecht und kaum jemand schafft es aus dem Township an die Universität oder kann sich dann die Studiengebühren leisten. Diese sollen sogar noch weiter erhöht werden, was zu massiven, teilweise gewaltsamen Protesten Ende letzten Jahres geführt hat.

Township Langa

Die Kriminalitätsraten, im Besonderen in den Städten sprengen alle Statistiken und für TouristInnen ist es nicht ratsam nach Beginn der Dunkelheit die Unterkunft zu verlassen. Schon am Tag gab es für mich ein paar Situationen die anstrengend und teilweise auch beängstigend waren. Keine der Unterkünfte in denen ich gewohnt habe, ist nicht von Mauern umgeben die zusätzlich noch von einem unter Strom gesetzten Zaun gekrönt sind und einem 24h-Wachdienst geschützt werden. Die meisten Schlüssel und somit Schlösser für eine Unterkunft hatte ich in der ersten Bleibe in Johannesburg – 6 Stück nur um ins Haus und in mein Zimmer zu kommen, plus 2 für den vergitterten Balkon. Verlässt man den Radius Westkap und die Garden Route merkt man sofort, wie man auch den Reichtum der Touristenpfade verlässt und das andere (eigentliche) Gesicht des Landes zum Vorschein kommt. Ich für meinen Teil kann nur sagen, dass der Großteil der SüdafrikanerInnen mit denen ich Kontakt hatte, wirklich sehr nett und die Gespräche tief und aufschlussreich waren. Schlechte Erfahrungen habe ich nur mit einem in der Apartheid verhafteten alten Knacker, einer Gruppe Männer in Kapstadt und einem unfreundlichen Zeitgenossen bei einem Spaziergang durch Johannesburg gemacht. Johannesburg und ich werden übrigens so insgesamt keine Freunde, man kann ja schließlich auch nicht jede/n mögen. Aber eine kleine, echt coole Geschichte am Rande: Zusätzlich zur Unterkunft besitzt der Eigentümer auch noch eines der ältesten Pubs in Joburg, 15 Meter von meinem aktuellen Bett und meiner Tür entfernt, vor der ich gerade sitze. Auf dem Tresen des Pubs hat Mary (Pickhandle) Fitzgerald 1922 mit einer flammenden Rede die Minenarbeiter zum Streik aufgerufen – kein Scheiß! Das Bier ist auch nach ihr benannt und schmeckt zusammen mit der allabendlichen Livemusik hervorragend.

MaryPickhandle

Radium – BeerHall – Mary Pickhandle

Neben den politischen und geschichtlichen Aspekten gibt es in Südafrika noch einen dritten Teil, der mich so was von beeindruckt hat. Die Natur, ihre Bewohner und wie krass sie sich gefühlt von Kilometer zu Kilometer, von Etappe zu Etappe verändert hat.

Im Besonderen meine Zeit in der Nähe von Giants Gastle (Drakensberge) war der Wahnsinn. Ich bin viel alleine gewandert und kam mir vor als würde ich im Auenland nur kurz auf Frodo warten, damit wir zwei dann losziehen können um den Ring zu entsorgen. Eine Ruhe, die ich so noch nicht gehört habe und die nur ab und zu durch den Wind und einen Vogel unterbrochen wurde.

Drakensberge – Giants Castle

Böse Zungen behaupten ja, ich hätte einen schwarzen Daumen was Pflanzen angeht und das man meine gesamte Reiseroute über Google Earth, anhand der von mir besuchten und danach abgestorbenen Landschaften, nachvollziehen könnte. Ich trete hiermit den Gegenbeweis an und kann stolz behaupten: Südafrikas Busch ist heute noch genauso unversehrt (oder leider eben auch nicht) wie nach meinem Besuch. Die Big Five, Ugly Five und Little Five im Kruger Nationalpark und dem Addo Elephant Park sind zwar durch Wilderei und den Klimawandel bedroht, als ich sie das letzte mal gesehen habe, waren sie aber noch quicklebendig. Und beeindruckend. Einzig und allein ein Zebra ist zu beklagen. Allerdings nicht weil ich meine Finger im Spiel hatte, sondern weil ein Rudel Löwen es vor unseren Augen gerissen und dann genüsslich verspeist hat. Das zählt definitiv zu den Dingen die man gesehen haben kann, aber weder gesehen noch gehört haben muss. Sich mit einem 4×4 Jeep zwei Tage, einen dunklen Abend und zu Fuß anderthalb Stunden ab Sonnenaufgang durch den Busch zu bewegen, zählt wohl zu den abgefahrensten Sachen die ich bis jetzt gemacht habe. Auf der Wanderung, immer wenn wir einen Halt gemacht haben und Nachts in meiner kleinen Hütte im Kruger habe ich beim Augenschließen Geräusche wahrgenommen die ihresgleichen suchen und zusammengenommen mit den Bildern und dem Sternenhimmel, hat die Zeit auf Safari jedes lautgedrehte, noch so gute Fernsehprogramm mehr als in den Schatten gestellt.

Kruger Nationalpark

Für meine Verhältnisse bin ich relativ planlos in Südafrika gelandet. Mit jeder Menge Eindrücken, neuen Bekanntschaften und Bildern im Kopf werde ich nächste Woche in Südamerika genauso planlos ankommen. Kaum zu glauben, aber das war der erste Monat.


„Wir werden eine Gesellschaft errichten, in der alle Südafrikaner, Schwarze und Weiße, aufrecht gehen können, ohne Angst in ihren Herzen, in der Gewissheit ihres unveräußerlichen Rechtes der Menschenwürde, eine ‚Regenbogennation‘ im Frieden mit sich selbst und mit der ganzen Welt.“

Mandela in seiner Antrittsrede als Präsident im Mai 1994