Nach der Antarktis weiterzureisen ist mir schwergefallen.

Alles war auf einmal so laut, Menschen über Menschen und nicht Pinguine, sondern nach Abgasen stinkende Autos haben mir die Vorfahrt genommen…

Ich hatte wirklich das Gefühl, dass es das jetzt war.

Genug gereist. Der Höhepunkt ist erreicht. Was soll da auch noch kommen?

Die Anden sind gekommen.

Und haben in den letzten Wochen für Momente gesorgt, die mir mehr als eine Gänsehaut verpasst haben.

HOCHFAHREN

Über die Atacamawüste und das unwirkliche -Valle de la Luna (Tal des Mondes)-, sowie die Tatio Geysire in Chile, geht es mit einer Jeeptour nach Bolivien um das Altiplano und seine Vulkanlandschaft zu entdecken.

Lamas im Altiplano

Durchschnittlich auf 3600 Höhenmeter gelegen, ist die Luft dort dünn und nicht nur die Nacht kalt. Als wir gleich am ersten Tag vorbei an atemberaubenden Lagunen mit dem Jeep auf knapp 5000 Höhenmeter klettern, um uns die -Sol de mañana (Morgensonne)-, ein riesiges Feld von Geysiren anzuschauen, haut´s mich trotz Kokablättern in der Wange und einer eigentlich ausreichenden Akklimatisierungszeit um.

Kopfschmerzen, Schwindel, Atemnot, Übelkeit.

Hallo Höhenkrankheit! Freut mich nicht dich kennenzulernen und den ganzen restlichen Tag sowie die Nacht mit dir zu verbringen. Von mir aus müssen wir uns auch nie, wirklich nie wieder sehen.

Die Unterkunft in dieser Nacht liegt auf 4300 Höhenmetern, hat keinen Strom, kein warmes Wasser und nur zwei Toiletten für 12 Personen. Jackpot. Allerdings kümmern sich meine Mitreisenden sehr nett um mich und hat es einmal angefangen bringt sowieso nichts so wirklich was. Medizin schlucken, jede Menge Koka trinken bzw. kauen, abwarten und versuchen zu schlafen. Was sich allerdings als schwierig herausstellt.

Denn kein Strom und kein Ort weit und breit, bedeutet auch keine Lichtverschmutzung und so präsentiert sich der Sternenhimmel auf seine schönste Art und Weise. Die Milchstraße scheint so hell und nah, dass man glaubt man könnte sie anfassen und wir müssen uns losreißen um in aller Frühe wieder aufzustehen und ich für meinen Teil wieder fitter zu sein.

Es ist dann am nächsten Morgen auch besser, so dass ich die Fahrt durch die wunderschöne Andenlandschaft genießen kann. Bei der passenden Musik aus den Boxen geht’s von Lagune zu Lagune, Flamingo zu Flamingo und Lama zu Lama. Vorbei an bunten Quinoafeldern und Gesteinsfeldern die reichen soweit die Augen blicken können, wird mein bisheriges Verständnis von Horizont nochmal neu definiert und die folgende Nacht von diesen Bildern im Kopf und nicht von Übelkeit bestimmt.

Flamingo (ausnahmsweise) in Bewegung

Am darauffolgenden Tag geht’s vor Sonnenaufgang in den Salar de Uyuni. Die größte Salzpfanne der Erde, vor mehr als 10.000 Jahren entstanden und mehr als 10.000 qm groß. Schon kurz bevor wir an der Stelle ankommen an der wir den Sonnenaufgang beobachten wollen, wird mir klar: das gehört zu den Momenten und Orten die ganz speziell sind. Und dann trifft es mich mit voller Wucht. Ich stehe barfuß in einem endlos erscheinenden Spiegel, sehe alles doppelt und fasse es nicht wie etwas so schön sein kann.

Salar de Uyuni – kur vor Sonnenaufgang

Nach diesem Sonnenaufgangserlebnis fahren wir weiter zur Insel Incahuasi. Mit bis zu 1200 Jahren alten Kakteen ist sie als Überbleibsel eines Vulkanausbruchs ein weiterer unwirklicher Ort in dem Meer aus Salz, das weder Anfang noch Ende zu haben scheint und in dem jegliches Licht und jegliche Perspektive verschwimmt.

Am Ende der Tour ist aufgrund der gesamten Erlebnisse erst einmal auch alles Anstrengende vergessen.

Was bleibt ist die neue Definition von Horizont und nichts als Weite auf den Bildern im Kopf.

Weite.

RUNTERKOMMEN

Zeit zum Ausruhen brauche ich dann doch und die nehme ich mir in Sucre. Der Schokoladenstadt Boliviens, die trotz ihres Beinamens fast komplett in weiß erstrahlt und deren historische Innenstadt zum Weltkulturerbe gehört. Boliviens Landschaften haben mein Herz im Sturm erobert. Jetzt folgen die Menschen. Und das mit einer Intensität die ihresgleichen sucht. Ich könnte ein paar Beispiele hier aufschreiben, aber ich versuche die Fernabwesenheitsnotiz möglichst klein zu halten und deshalb gibt es nur das folgende:

Außerhalb von Sucre besuche ich einen Wochenendmarkt auf dem die BewohnerInnen der umliegenden Dörfer alles für die bevorstehende Woche einkaufen und sich austauschen. Auch TouristInnen können hier einkaufen und unter anderem traditionelle Webkunst der indigen Bevölkerung erstehen.

Was man hier nicht tun sollte und worauf man überall hingewiesen wird ist Fotografieren. Die Menschen glauben, jedes Mal wenn sie fotografiert werden, wird ein Teil ihrer Seele gestohlen. Also halte ich mich aus Respekt daran und da sowieso kein Platz in meinem Rucksack für Einkäufe ist, kaufe ich zunächst nur 2 Bananen, setze mich auf dem Marktplatz in den Schatten und beobachte das Treiben. Neben mir sitzt eine bildhübsche Tarabuquena in voller Tracht die alle zwei Minuten entweder verdeckt aus der Hüfte von irgend einem Idioten fotografiert wird oder angesprochen wird und dann höflich aber bestimmt verneint.

Nachdem ungefähr eine halbe Stunde vergangen ist, in der ich keinen Versuch unternommen habe und wir ein paar nette Worte gewechselt haben, zeigt sie auf meine Kamera und signalisiert mir, dass es für sie in Ordnung ist wenn ich ein Bild mache. Was für eine Ehre. Ich bin sehr stolz auf dieses Foto.

Tarabuquena auf dem Wochenendmarkt

WEITERKOMMEN

Weil eine neue Freundin mit der ich schon in Feuerland gereist bin, gegen Ende März in Cusco (Peru) aufgeschlagen ist, habe ich mich dazu entschieden, ebenfalls relativ schnell dorthin zu reisen und ein großes Ziel im Kopf Realität werden zu lassen. Machu Picchu selbst besuchen und nicht nur träumend vor Internetfotos zu sitzen.

Zuerst aber heißt das zwei abenteuerliche Busfahrten, einen Grenzübergang, tausende Kilometer und La Paz auf teilweise über 4000 Höhenmetern zu überwinden. Die höchstgelegene Hauptstadt bleibt mir obwohl ich nur kurz geblieben bin auf jeden Fall im Gedächtnis. So viele Häuser auf so wenig Platz verteilt, habe ich noch nie gesehen und eine Fahrt mit dem Teleferico (Seilbahn) über die Stadt, sowie ein kurzer Bummel über den Hexenmarkt haben es wirklich in sich.

La Paz – in alle anderen Richtungen sind ebenfalls nur Häuser zu sehen

Und als ich nach 5 Minuten Fußweg vom Hostel entfernt daran vorbeilaufe kommt mir eine Sache die ich schon über La Paz wusste auf einen Schlag wieder ins Gedächtnis. Eines der berüchtigtsten Gefängnisse, die weltweit seit Jahren Schlagzeilen machen steht genau hier. San Pedro. Wer wissen möchte warum ich staunend vor dem Wohnblock mitten im Zentrum von La Paz gestanden habe, der sollte sich das Buch -Marschierpulver- von Rusty Young besorgen. Hier beschreibt er die Jahre und Erlebnisse von Thomas McFadden, der mit 5 Kilo Kokain am Flughafen von La Paz erwischt wurde und dafür in San Pedro eingesessen hat. Recht gute und schnelle Lektüre die mir hier wieder eingefallen ist und für Einiges an Kopfkino gesorgt hat.

ANKOMMEN

Ankommen in Peru. Cusco. Ehrlich gesagt reißt mich die Stadt nicht gerade vom Hocker. Alles hier ist auf den Transport nach Machu Picchu ausgerichtet und es scheint, als wäre Cusco weit entfernt vom Rest Perus. Aber ich kann mir kein abschließendes Urteil erlauben, weil ich mich auch nur in dem Bereich bewege in dem man sich als Reisende zur Inkastadt aufhält und sonst Peru nur vom Bus aus betrachtet habe. Richtig schlimm aber wird es in Aquas Calientes, dem Pueblo Machu Picchu das im Tal in der Nähe der Inkastätte liegt und in dem man sich unweigerlich wiederfindet wenn man hoch zur Stadt möchte. Bis auf die Busse die zum Haupteingang führen gibt es hier zwar keinen Verkehr (man kommt auch nur zu Fuß oder mit dem Zug in das Dorf), dafür aber umso mehr richtig schlechte und gleichzeitig überteuerte Restaurants, sowie Nippesläden die fast zur Flucht ins auch überteuerte und fensterlose Hostelzimmer verleiten.

Aber das ist alles vergessen, sobald ich den Haupteingang von Machu Picchu überwunden habe und den ersten Blick auf dieses neue Weltwunder werfe. Jetzt bin ich nämlich wirklich irgendwie angekommen. So lange schon wollte ich das einmal mit eigenen Augen sehen und jetzt stehe ich hier und komme erst mal nicht klar.

Erster Blick auf die Inkastätte

S.P.R.A.C.H.L.O.S.

Ich bleibe 9 Stunden, laufe in den ersten beiden davon wie ein kopfloses Huhn herum, mir insgesamt die Füße wund und beanspruche mein Knie nachhaltig zu viel. Aber das ist alles egal. Diese Stunden waren es wert. So viele Geheimnisse ranken sich immer noch um diese Stadt, wie sie es hingekriegt haben dieses Wunder zu errichten und das Inkareich an sich.

Das Inkareich. Ein Königreich das ausgenommen Brasilien das restliche Südamerika umfasst hat und komplett durch Spanien und seine Eroberer ausgerottet und regelrecht plattgemacht wurde. Regiert wurde es von Cusco aus und nicht nur das bekannte Machu Picchu sondern auch das umliegende Heilige Tal mit weiteren imponierenden Bauten waren wichtige Stätten dieser hochkomplexen Kultur. Eine Kultur mit einer Sprache und Wissen, die bis heute die WissenschaftlerInnen beschäftigt und Rätsel aufgibt. Faszinierend.

Machu-Picchu-Model-Lama-Dame

Faszinierend ganz oben in der Stadt zu stehen und den Blick auf die Ruinen zu werfen die vor ca. 600 Jahren eine belebte Stadt mit ausgeklügeltem Wassersystem und einer funktionierenden Infrastruktur war. So weit das Auge reicht, reichen auch die Zeichen der Inkas. Auf 2450 Metern thront die Stadt über dem Urubamba-Tal und es bleibt nichts anderes übrig als völlig eingenommen und mit offenem Mund jede Ecke, jeden Tempel, jedes Haus zu erkunden. Unmöglich an nur einem Tag.

Einer Theorie nach wollten die Inkas mit diesem Stadtbau ihrem Sonnengott näher kommen und als sich um 6.30 die Sonne über den gegenüberliegenden Gipfel kämpft und zuerst den Huayana Picchu von der Spitze an und dann die gesamte Anlage in goldenes Licht taucht, kann ich schon irgendwie nachvollziehen das sie sich hier ihrem Gott besonders nahe gefühlt haben. Es ist seit Wochen der erste Tag an dem man den Sonnenaufgang tatsächlich beobachten kann und es nicht nur langsam irgendwie durch die Wolken hindurch hell wird. Ich komme nicht umhin dümmlich vor mich hin zu grinsen, als mir bewusst wird was für ein Glück ich mitten in der Regensaison habe.

Kurz bevor die Sonne alles erstrahlen lässt

Off-Topic

Eigentlich höre ich erst auf richtig dümmlich zu grinsen, als ich von der peruanischen Drogenpolizei ein paar Tage später auf dem Weg nach Kolumbien nach dem Check-In abgeführt werde und sie für geschlagene 2 Stunden mein Gepäck und mich nach verbotenen Substanzen durchsuchen. Good Cop und Bad Cop. Wie im Film. In einem südamerikanischen Drogenfilm auf Spanisch.

Für die meiste Aufregung sorgen meine Welt-Quietsche-Ente (sie vermuten das sie aus Kokain gemacht ist) und die homöopathischen Globulis gegen meine Schmerzen. Auch wenn sich das witzig und spannend anhört. Das war es nicht. Ehrlich gesagt rangiert es ziemlich weit oben auf der Topliste von ätzenden Sachen die mir jemals passiert sind. Nicht auszudenken was los gewesen wäre, wenn ich den Rat meiner Homöopathin angenommen hätte und den Aufbaukalk für die Knochen, fein säuberlich verpackt als weißes Pulver in Tütchen mit auf Reisen genommen hätte…

Unabhängig von dem Vorfall brauche ich jetzt auch Urlaub.

Kein Scherz.

Reisen ist verdammt anstrengend, für den Kopf und den Körper.