„Pura Vida – Jenny“

So werde ich in dem Hostel begrüßt, das ich als mein Wohnzimmer und Ausgangspunkt für meine Etappen in Costa Rica ausgesucht habe und in das ich insgesamt dreimal zurückkehre, bevor es nach Nicaragua geht.

Nicaragua – Das Land, aus dem ich dieses mal die Fernabwesenheitsnotiz an Euch sende. Das Land, das mir nach einem halben Jahr auf Reisen derart viel abverlangt und gleichzeitig schenkt, dass es mir schwerfällt zurück zu blicken und Costa Rica die Zeilen zu schenken, die es verdient hat.

Aber die Zeit in Costa Rica war wirklich „Pura Vida = Pures Leben“.

Ob es die unfassbar schönen Sonnenuntergänge an der Pazifikküste waren, verbunden mit einigen der besten Gespräche die ich bisher auf Reisen geführt habe…

Ob es die Anzahl und Arten von Tieren waren, die mir im wahrsten Sinne des Wortes in den Nationalparks, über den Weg gesprungen sind…

Ob es der dünne Film auf der Haut war, den der Nebelwald während meinen Wanderungen dort hinterlassen hat…

Ob es der schönste Dschungel an der Karibikküste war, der mir je unter die Augen gekommen ist…

Oder ob es die Freundlichkeit der Ticas und Ticos war, die man in anderen Ländern erst einmal suchen muss und die mit ihrem Bewusstsein für das politische Weltgeschehen und ihrem Stolz darauf, als eines der wenigen Länder dieser Erde kein Militär zu haben, beindrucken…

Costa Rica verdient diese Zeilen, bevor ich wieder in Nicaragua eintauche und regelrecht verschluckt werde. Und es bekommt sie.

Brüllaffe

Also:

„Pura Vida – Jenny“ – „Pura Vida – Juan“

„Cómo estás? Cómo fue tu tiempo en Sámara?“- „HERMOSO. Pura Vida.“

Übersetzt bedeutet das soviel wie:

„Hallo! Wie geht’s? Wie war deine Zeit in Sámara?“ – „GROSSARTIG. Pures Leben.“

Und Pura Vida scheint hier alles zu sein.

Hallo. Tschüss. Danke. Bitte. Mach´s gut. Schön, dass du wieder da bist.

=

Pura Vida.

Ein Ausspruch als Überbleibsel aus einem mexikanischen Film der 50er des letzten Jahrhunderts, den eine gesamte Bevölkerung übernommen hat. Und sie haben nicht Unrecht. Dieses Land strotzt vor Leben in allen Ecken.

Wald und Dschungel

Zunächst geht es für mich nach Monteverde, nicht nur weil ich schon alleine den Namen interessant finde, sondern wegen seinem in der Welt bekannten Wald. Ich war noch nie in einem Nebelwald und alles was ich mir hierzu im Vorhinein anschaue deutet darauf hin, dass es wohl eine Erfahrung werden wird. Und die wird es dann auch.

Gleich am ersten Tag geht es zu einer Nachtwanderung, um die in der Dunkelheit aktiven Tiere zu beobachten. Mir ist von vorneherein bewusst, dass Spinnen eher zu den nachtaktiven Geschöpfen gehören. Und jedem der mich kennt ist bewusst, dass Spinnen nicht zu meinen besten FreundInnen gehören. Also geht es schon mit leicht erhöhtem Herzschlag in den Bus der zum Ausgangspunkt fährt.

Dort angekommen, werden Gruppen von 8 Personen + Guide gebildet und Taschenlampen verteilt. Ich bin damit beschäftigt mich von oben bis unten einzupacken (Regenjacke, Mütze, Kapuze, Wanderstiefel – alles fester als sonst verschnürt) um zu verhindern das mich irgendetwas anspringt und/oder berühren könnte und lasse, weil ich höflich bin, alle anderen an mir vorbei ziehen als es darum geht eine Reihe zu bilden.

Es dauert genau einen Schritt in den Wald hinein, bis ich merke was ich getan habe.

ICH bin die LETZTE in der Reihe. Und die Letzten werden IMMER gefressen. Wahrscheinlich werde ich von einer riesigen Spinne in ihr riesiges Spinnennetz gezerrt und dann einfach aufgegessen oder…

Ich liebe Kopfkino. Normalerweise. Jetzt verfluche ich meine Höflichkeit und mich selbst, muss mich aber wohl oder übel damit abfinden. Im Übrigen scheinen die beiden Männer die vor mir laufen und wie wild mit ihren Taschenlampen in der Gegend rumfuchteln noch mehr Angst zu haben als ich. Also ist Tauschen auch keine Option. Aber das ist auch gar nicht nötig, denn 15 Minuten Panik weichen 1.45 Stunden richtig schönem Spaziergang durch die Dunkelheit in der wir viele Tiere beobachten können. Zum ersten mal bekomme ich ein Faultier zu Gesicht, wir finden ein paar Tucane und Frösche und das Beste, weil ich die Letzte in der Reihe bin (Haha!) läuft das lilafarbene Mexikanische Stachelschwein genau an mir vorbei und ich bin die Einzige, die die Möglichkeit hat ein Video davon zu machen. Ach, und ich musste nur eine Spinne anschauen – reicht auch.

Frosch auf der Nachtwanderung – Nur so groß wie eine Fingerkuppe

Und so wie es auf der Nachtwanderung beginnt, geht es in Costa Rica und seinen Nationalparks die gesamte Zeit weiter. Hier bekommt man die Natur regelrecht ins Gesicht geschmissen und ich habe Erlebnisse, von denen ich nicht gedacht hätte, dass mir das jemals passieren würde.

Ein Brüllaffe der gelangweilt auf einer Brüstung einer Hängebrücke sitzt, über die ich laufen möchte.

Ein Babyfaultier, das kopfüber im Baum hängt, scheinbar grinst und genüßlich eine Pflanze futtert.

Kolibris die in einer von mir nicht für möglich gehaltenen Lautstärke an meinem Kopf vorbeifliegen wie kleine Hubschrauber.

Weißkopfaffen die als Gruppe durch die Bäume klettern und dabei ordentlich Alarm machen.

Wildpferde die den Sonnenuntergang am Strand zu einem noch schöneren Schauspiel machen.

Gürteltiere die über den Wanderweg trotten und aussehen als wären sie erfunden.

Giftgrüne Schlangen die genauso grün wie die Pflanze sind, in der sie sich verstecken.

Und so weiter.

Und so weiter.

Pures Leben also.

Kolibri im Standflug

 Im Wohnzimmerhostel…

 …lerne ich ein paar echt witzige Leute aus Costa Rica kennen und wir brechen gemeinsam zu einigen Ausflügen der etwas anderen Art auf. Zum Beispiel besichtigen wir eine seit den 1960ern verlassene Tuberkulose-Klinik. Das „Sanatorio Duran“ von dem unzählige Youtube-Videos einwandfrei beweisen das es hier spukt und es Costa Ricas „Meist-heimgesuchtes-Gebäude“ ist. Über Tag schon gruselig genug, gegen Abend dann aber auf jeden Fall was für den Adrenalinhaushalt und definitiv etwas das ich nur gesehen und erlebt habe weil ich mit Einheimischen unterwegs war.

Sanatorio Duran in den Bergen von Costa Rica

Meer

Die Pazifikküste von Costa Rica beschert mir, ohne dass es bewusst geplant war, ein paar Tage in denen ich die meiste Zeit ganz für mich alleine bin. Ich beziehe ein klitzekleines Bed and Breakfast am hintersten Ende des Strandes von Sámara und treffe die ganze Zeit über, nur an den Abenden auf einen anderen Menschen – German, den Besitzer der Unterkunft. Ansonsten spaziere ich mit Sand unter den Füßen, Salzkruste auf der Haut und einem unglaublich schönen Gefühl im Bauch einfach nur durch die Gegend, gehe schwimmen und bin.

Abends werde ich Zeugin von Sonnenuntergängen die meine kleine Strandwelt in unzählbare Farbtöne tauchen und führe dabei Gespräche über Gott und die Welt. Die Art von Gesprächen führt man zwar oft auf Reisen, diese aber finden auf einer anderen Ebene statt. German hat schon soviel in seinem Leben erlebt und auch erleben müssen, dass es faszinierend ist sich mit ihm auszutauschen und zu lernen. Eine der Sachen die mein Herz so hoch für das Reisen schlagen lässt (tausendmal höher als eine mögliche Spinnenbegegnung), ist der Austausch mit den Menschen. Oft ist der mit anderen Reisenden nur darauf beschränkt wo man herkommt und hin möchte, unterbrochen von einigen interessanten Lebensentwürfen und spannenden Weltsichten. Das ist auch in Ordnung und kann echt schön sein, aber was mir bis jetzt am besten gefällt und mich persönlich weiterbringt ist der Austausch mit den Menschen die in den jeweiligen Ländern leben. Ich verlängere meine Zeit in Sámara zweimal und genieße es so entschleunigt zu werden und Raum und Zeit zum Nachdenken zu haben.

Und diesen Raum habe ich scheinbar auch gebraucht. Denn nachdem ich den Traumstrand verlasse um zu meinem Wohnzimmerhostel zurück zu kehren, fühle ich mich geerdet wie schon lange nicht mehr. Geerdet genug um nach Nicaragua aufzubrechen.

Sonnenuntergang an der Pazifikküste

Warum so kurz

Jetzt noch einmal kurz zu dem Grund warum ich in dieser Fernabwesenheitsnotiz so wortkarg bin, im Vergleich zu den anderen. Me encanta Nicaragua (Ich liebe es). Ich habe ein paar Tage in und mit einer Familie gelebt, die mir alles an Respekt abverlangen, den ich in der Lage bin aufzubringen. Sozial engagiert, politisch aktiv, gewerkschaftlich mitten im Geschehen und herzlich wie ich kaum Menschen begegnet bin in meinem Leben. All das unter Bedingungen unter denen es mir, als einer die durch Glück in einem der reichsten Länder der Welt geboren wurde, nicht leicht fällt länger als ein paar Nächte zu Besuch zu sein.

Und das Herzliche zieht sich bisher durch meine gesamte Zeit hier und 99 Prozent meiner Begegnungen. Gefühlt fahre ich in den heillos überfüllten “Chicken-Bussen” von einer Familie zur nächsten, die nichts als Freundlichkeit in ihren Herzen haben und selbige und ihre Häuser für mich öffnen.

Gleichzeitig hadere ich aber auch mit Vielem was hier und insgesamt in Süd- und Zentralamerika oft als Teil der Kultur angesehen wird. Deshalb bin ich ordentlich damit beschäftigt meine Gedanken zu sortieren und es fällt mir schwer Worte zu finden…

Das nächste mal gibt es dann mehr, versprochen.

Aber Worte müssen sich im Kopf auch erst einmal zurecht finden und bereit sein raus zu kommen.

 

Bevor Nicaragua an der Reihe ist, hier meine Bewegtbilder zu Costa Rica:

 

German hat(te) mich gebeten ein kleines Video zu seinem Herzensort zu schneiden: